Mittwoch, 27. Februar 2008

Momentaufnahme einer Gesellschaft - oder doch besser einer Ansammlung von Individuen?

Gestattet mir heute neben meinen üblichen Reise- und Erlebnisberichten auch einige weiterblickende Kommentare in meinem Blog. Denn für mich zählt in Australien nicht nur die Ruhe, das Studium und das Land, vielmehr wollte ich auch endlich einmal abschalten vom stressigen Alltag sowie (und dies ganz besonders) Kraft sammeln für alle kommenden Aufgaben ab September. Und wenn man sich dies vornimmt, kommt es ganz automatisch, dass man sich Gedanken über dieses und jenes macht. Mal mehr, mal weniger. Ich möchte nun einfach hier die Möglichkeit nutzen, dies aufzuschreiben und von meiner Seele loszuwerden. Alles folgende bezieht sich größtenteils auf die Deutsche Gesellschaft, da mich Wesensmerkmale jener Vereinigung von Menschen in den letzten Monaten und Jahren immer mehr aufgeregt haben...

Ich frage mich oftmals, 'was ist das für eine Gesellschaft, in der sich jeder selbst der Nächste ist?' Betrachten wir doch einfach mal uns und unsere Mitmenschen. Was fällt auf? Auf Arbeit, in der Uni, in der Freizeit - alles ist durchwandert von Individuen, die ein Wesensmerkmal ganz besonders ausgeprägt haben: den Egoismus. Immer wieder fällt der (mittlerweile nicht mehr erschreckende, nur noch ernüchternd daherschauende Blich) auf meine Mitmenschen, die sich gerade wieder selbst in Eigenlob und Ignoranz der Mitmenschen überschlagen haben. Sie fühlen sich stark. Und toll. Als sei es eine Heldentat, sich selbst als das Größte zu sehen. Ist es denn das wirklich? Sollte es tatsächlich dazu gekommen sein, dass sich der Lebenswert so verändert hat? Oftmals sitze ich da oder laufe durch die Gegend und beobachte meine Mitmenschen und frage mich, wo sind Werte wie Kameradschaft, Freundschaft oder Vertrauen geblieben? Ist es wirklich so "cool", ohne dies zu leben und sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?

Dabei stellt sich mir auch die Frage: Was zählt eigentlich ein Wort, wenn es morgen wieder gebrochen wird. Es geht ja einfach, Freundschaft ausdrücken. Ich sage "einfach", du bist mein "Freund". Doch wie groß ist die Bedeutung, dieser Aussage? Was denkt ihr? Kommt ihr auch auf jenes Nichts... Hinter Aussagen stehen Taten und Gesten - alles andere kann in der heutigen Zeit nicht mehr zählen. Worte sagen nur noch wenig - die Taten sind es, die etwas liebenswert machen! Doch anstatt sich dies zu verdeutlichen, beschäftigen sich "mächtige" Menschen viel mehr damit, einen Schuldigen zu suchen. Politik, Medien, Erziehung. Jeder wird genannt, natürlich niemand von sich selbst (man könnte ja ehrlich sein, sich beschmutzen...IIIIHHHH, wie menschlich...). Vielmehr macht man mittlerweile einen richtigen Wettkampf daraus, auf den anderen zu schießen. Frei nach dem Motto: "Ich war's nicht! Du warst es!" Wem kommen diese Worte auch bekannt vor aus seiner Kindergartenzeit? Bitte melden... Man könnte auch sagen, dass ja Herbert Grönemeyer auch gesagt hat, 'Kinder regieren die Welt'. Doch Kinder entschuldigen sich gegenseitig, wenn sie etwas böses gemacht haben. Doch die "Großen"? Genau dies ist nun das, was mittlerweile die Gesellschaft bestimmt. Ignoranz der Realität. Wieso den Schatten auf dem eigenen Gebiet ertragen, wenn die Sonne auf dem anderen scheint? Ist doch einfach, man muss nur dort hingehen, schon ist der Schatten weg...

Ich habe es glücklicherweise (und dafür bin ich sehr dankbar) vermittelt bekommen, seinen Mitmenschen zu schätzen. Mir wurden Werte beigebracht. Ein Wort, was heute teilweise gar nicht mehr bekannt ist. Stattdessen wird es cool als Value bezeichnet... kein Wunder, dass der Zusammenhang vom Wort "Werte" mit der Wortgruppe "etwas wert sein" nicht mehr erkannt wird und daher auch der Sinn verfällt. Aber wir sind "cool", schließen wir uns an...

Es ist schwer, diese Situation zu akzeptieren. Es macht mich wütend. Doch was bleibt übrig, als der tägliche Kampf, sich einer Anpassung zu erwähren? Immerhin: wir sind uns im Reinen. Das ist mir was wert. Viel sogar! Mit diesem Hintergrund bekommt ein sehr guter Song (von Ich+Ich) eine noch bessere Wirkung. Der Text drückt, mit ein bisschen Phantasie und den entsprechenden Gedanken, genau diesen Zustand aus. Ein Wandel zwischen Schein und Sein - der klappt, so lange man die Grenze ziehen kann. Aber was, wenn sie verschwunden ist? Lest einfach den Text. Vielleicht erkennt ihr meinen Zusammenhang. Jedenfalls ist er für mich da.


Ich bin seit Wochen unterwegs und trinke zu viel Bier und Wein.
Meine Wohnung ist verödet, meinen Spiegel schlag ich kurz und klein.
Ich bin nicht der, der ich sein will und will nicht sein, wer ich bin.
Mein Leben ist das Chaos, schau mal genauer hin.
Ich bin tierisch eifersüchtig und ungerecht zu Frauen.
Und wenn es ernst wird, bin ich noch immer abgehauen.
Ich frage gerade dich: Macht das alles einen Sinn?
Mein Leben ist ein Chaos, schau mal genauer hin.

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.
Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.
Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.
Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.

Ich bin dauernd auf der Suche und weiß nicht mehr wonach.
Ich zieh Nächte lang durch Bars, immer der, der am lautesten lacht.
Niemand sieht mir an, wie verwirrt ich wirklich bin.
Ist alles nur Fassade, schau mal genauer hin.

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.
Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.
Oh, Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.
Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
Ich steh nur hier oben und sing mein Lied.

Stell dich mit mir in die Sonne oder geh mit mir ein kleines Stück,
ich zeig dir meine Wahrheit für einen Augenblick.
Ich frage mich genau wie du, wo ist hier der Sinn.
Mein Leben ist ein Chaos, schau mal genauer hin.

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.
Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.
Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.
Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
Ich steh nur hier oben und sing mein Lied.


Bitte seht diesen Beitrag weder als Nörgelei noch als Unwohlsein hier in Melbourne. Es fällt einfach alles umso mehr auf, wenn man das Leben hier betrachtet und sich an das Leben in Deutschland erinnert oder "die Deutschen" hier betrachtet. Die Ignoranz und der Egoismus ist da - und daher wollte ich das einfach mal aufschreiben und los werden. Nicht mehr und nicht weniger. Bald gibts Neues hier aus Melbourne.

Habe fertig...

1 Kommentar:

Eike hat gesagt…

Markus, du bist mutig!
Für deine Aufrichtigkeit wirst du sicher nicht nur Verständnis oder gar Beifall ernten - aber, da jeder diesen Beitrag für sich im "stillen Kämmerlein" lesen kann, hat er auch Gelegenheit, seine Lebensweise - ganz für sich allein - auf den Prüfstand zu stellen. Vielleicht merkt er, dass er die falschen Ideale hat (oder gar keine), vielleicht merkt er, dass es da noch was anderes gibt und dass er nicht allein ist. - Oder er sagt: "Der spinnt". Das sind dann die Leute, die wirklich zu bedauern sind, weil sie wieder mal mal die Chance verpasst haben ...
Bleib wie du bist und pass auf dich auf. Du bist nicht allein.
Alles Gute auf dem Weg.